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Ein Besuch bei… Helga Huber - Ein Besuch bei... Helga Huber

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„Die waren kritische Rezensionen nicht gewohnt!“
Ein Besuch bei … Helga Huber – Redaktionsmitglied und Frau des verstorbenen ­Gründungs-Chefredakteurs des Magazins Oper und Konzert, aus dem 1998 crescendo wurde. Frau Huber, Sie sind die Frau des verstorbenen Oper und Konzert-Gründungs-Chefredakteurs Professor Hans Huber. Erinnern Sie sich noch an die Zeit mit unserem Vorgänger-Magazin?
Sehr gut! Einen Großteil der Redaktion machten wir hier bei uns im Wohnzimmer. Auf allen Tischen lagen mit der Schreibmaschine geschriebene Texte, die wir mit der Schere bearbeiteten. Wir bekamen endlos lange Druckfahnen geschickt und schnitten und klebten sie zur Zeitschrift zusammen. Als Erinnerung an diese Zeit steht auf dem Tisch noch immer ein Glas mit Schere und Klebstoff. Es war eine gute Zeit. Und Oper und Konzert war ein echtes „Herzibopperl“ meines Mannes.

Wie kam es überhaupt zur Gründung von Oper und Konzert?
Mein Mann und ich ärgerten uns immer über die unkritische Berichterstattung über die Bayerische Staatsoper. Die Journalisten kamen immer nur in die Premieren und schrieben hinterher bloß Lobhudelei, in die Repertoire-Vorstellungen dagegen ging kein Mensch und das Niveau war manchmal wirklich schlecht. Da dachten wir: Da muss man was machen! Eine Zeitschrift mit kritischer Berichterstattung auch über solche Vorstellungen wäre eine gute Idee. Mein Mann hat dann ein paar Mitarbeiter zusammengesammelt und über einen befreundeten Zahnarzt lernten wir Arnold Hanuschik kennen, der den Zahnärztlichen Anzeiger verlegte. Das Thema war Neuland für ihn, aber es hat ihn interessiert, und mein Mann und er waren sich sympathisch – deshalb gründeten sie dann zusammen Oper und Konzert.

Gemeinsam mit Verleger Arnold Hanuschik gründete Prof. Hans Huber 1963 die Zeitschrift „Oper und Konzert“. Seine Frau Helga Huber (86) war fester Bestandteil der Redaktion. Oper und Konzert-Chef Hans Huber. Erste Ausgaben: „Manche Sänger drohten uns mit einem Rechtsanwalt.“ Das „Werkzeug“ von damals steht noch heute auf Hubers Wohnzimmertisch.

 

Wie hat die Oper darauf reagiert?
Mit einem Hausverbot (lacht). Die waren kritische Rezensionen nicht gewöhnt, sie waren so böse auf uns. Wir bekamen sogar Anrufe von Sängern, die sich durch die Kritik persönlich beleidigt fühlten. Einmal rief jemand an und sagte den Tränen nahe: „Das ist furchtbar: Jeden Abend sitzt da einer von Ihnen drin – aber man kann doch nicht jeden Abend gleich gut sein!“ Das stimmt natürlich, das war schon ein bisschen gemein. Manche Sänger drohten uns sogar mit dem Rechtsanwalt.

Schüchterte Sie das ein?
Nein, mein Mann mochte es, im Bienennest herumzustochern. Die Bediensteten von der Oper erkannten uns ja nicht, deswegen haben wir ganz normal unsere Karten an der Abendkasse gekauft und weiter rezensiert. Nach einiger Zeit hat sich das aber gelegt und sich ein sehr gutes Verhältnis zur Staatsoper entwickelt. Wir bekamen dann bald auch reguläre Pressekarten und konnten tolle Interviews machen.

Wie sind Sie damit umgegangen, wenn ein Sänger Ihnen mit rechtlichen Schritten drohte?
Es ist tatsächlich zu keinem Prozess gekommen, auch wenn immer wieder gedroht wurde. Es hat sich dann irgendwann ein Mann bei uns gemeldet, der Rechtsanwalt war. Der hat zu meinem Mann gesagt: „Wenn irgendwas ist, kommen Sie zu mir. Ich mache Ihnen das umsonst.“ Da waren wir fein heraus.

Wie war damals Ihre Redaktion aufgebaut?
Wir waren ein kleiner Trupp von Autoren in München. Unsere Arbeit basierte auf Sympathie und Möglichkeiten. Es war ausgemacht, dass niemand für seine Texte bezahlt wird. Die Autoren hatten alle andere Berufe, waren aber lebenslange Operngänger, so wie mein Mann und ich. Bald hatten wir auch Mitarbeiter außerhalb von München – einen Dramaturgen aus Prag beispielsweise, der anrief und sagte, er wolle auch mitschreiben. Außerdem hatten wir einen Autoren aus San Francisco, der hat uns dann auch mal in Deutschland besucht. Der hatte eine Schrift! Wenn er seine Texte ausgebessert hat, habe ich immer gesagt: „Ihre Schrift ist nur zur Dekoration da, nicht zur Vermittlung von Informationen!“ Das war für mich sowas wie arabische Schriftzeichen: sieht wunderschön aus, ist aber nicht zu lesen.

Gab es auch mal Probleme mit den Autoren?
Einer unserer Kritiker hat sehr gut geschrieben und es ging ihm sehr leicht von der Hand – aber er war auch sehr verliebt in seine Schreibe: wenn ihm irgendetwas Geistreich-Boshaftes gegen einen Sänger eingefallen ist, dann konnte er das nicht unterdrücken. Und hat anscheinend angenommen, der andere freut sich genauso sehr über seine schöne Formulierung. Und da wir unseren Mitarbeitern nichts gezahlt haben, dachten sie, sie könnten sich in punkto Länge alles erlauben. Wenn mein Mann dann was weggestrichen hat, waren sie furchtbar beleidigt.

Wie haben Sie die Vorstellungen ausgesucht, die Sie rezensiert haben? Sie konnten ja nicht alle besuchen?
Wir haben versucht, die interessantesten Produktionen auszuwählen oder die Vorstellungen, in denen jemand gesungen hat, den wir noch nicht kannten. Also auch Repertoirevorstellungen. Heute ist das anders: da fliegen für einen bestimmten Zeitraum Sänger ein und singen gemeinsam fünfmal dieselbe Produktion. Die ist fünfmal genau gleich. Da ist es natürlich nicht sinnvoll, jede Aufführung zu rezensieren, so wie wir das früher gemacht haben – obwohl natürlich immer etwas anders laufen kann.

Zum Beispiel?
Ich bin mal in Tschaikowskys „Eugen Onegin“ gegangen, bei dem eigentlich wenig spannende Sänger angekündigt waren. Und dann kam ich in die Oper und dort hing ein Zettel mit einer Besetzungsänderung: Statt der wenig bekannten Leute sangen an diesem Abend Fritz Wunderlich und Hermann Prey!

Haben Sie in dieser Hinsicht auch mal etwas Skurriles erlebt?
Ja. Es war damals so: An Feiertagen waren die Orchestermusiker oft außer Haus und verdienten sich woanders etwas dazu. Sie schickten dann ihre Schüler ins Orchester. Mein Mann kannte viele Orchestermusiker und an Allerheiligen haben sie ihm gesagt: „Heute musst du in die Oper gehen, heute ist Schülerorchester!“ An diesem Tag sind keine Pressekarten vergeben worden. Aber mein Mann hat sich einfach eine reguläre Karte gekauft und hat schön boshaft darüber geschrieben. Das hat einen furchtbaren Wirbel gegeben (lacht)!

Was war denn damals sonst noch anders im Opernleben?
Damals gab es an der Staatsoper noch ein richtig festes Sängerensemble, die alle Partien gesungen haben. Heute werden ja meist nur noch die kleinen Rollen mit Ensemblesängern besetzt. Außerdem wurde alles auf deutsch gesungen, auch die italienischen Opern. Umgekehrt haben wir mal in Verona einen „Lohengrin“ auf italienisch gehört – das war lustig. Das änderte sich eigentlich erst mit Karajan, der darauf beharrte, die Originalsprachen zu singen.

Was war Ihnen in punkto Inszenierung und Musik wichtig?
Meinem Mann wurde vorgeworfen, dass er gegen moderne Inszenierungen sei, da sagte er: „Eine moderne Inszenierung kann gut oder nicht gut sein und eine konservative kann auch schlecht sein.“ Aber was heute auf den Bühnen ist, war damals natürlich undenkbar. Worüber wir uns damals aufgeregt haben, danach würde man sich heute alle Finger abschlecken.

Worüber hat man sich denn aufgeregt?
Man kann sich über alles aufregen. Ich kann mich an einen „Don Carlos“ erinnern, da hat sich ein Kritiker darüber aufgeregt, dass im Bühnenbild überhaupt keine Wände waren. Da sitzt der Don Carlos ja mal im Gefängnis. Da hat unser Autor geschrieben: „Das ist aber ein lustiges Gefängnis – überall kommt man raus.“


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