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Reportage:Auf den Spuren von C. P. E. Bach - Auf den Spuren von C. P. E. Bach

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Von Weimar bis Hamburg über Leipzig, Frankfurt/Oder, Berlin und Potsdam.
Unsere Autorin Julia Hartel begab sich auf die gleiche Reise, die der Komponist mit dem großen Nachnamen vor 300 Jahren begann. Die Weimarer Gingkobäume befinden sich wahrscheinlich fast noch im „Winterschlaf“, als Carl Philipp Emanuel Bach am 8. März 1714 in dieser kleinen, aber schon damals bedeutenden Residenzstadt geboren wird. Er, der zweitälteste Sohn Johann Sebastians und zu Lebzeiten höchst populäre Komponist, mit dem sich, dem Leipziger Bachforscher Dr. Peter Wollny zufolge, eine ganze Epoche „nachhaltig identifiziert“ hat, ist kultur­affinen Menschen natürlich auch heute noch ein Begriff. Und dennoch steht er auch heute stets im Schatten seines Vaters.

Daher machen wir uns anlässlich seines 300. Geburtsjahres gespannt auf Spurensuche – in den Städten, in denen Carl Philipp gelebt und gewirkt hat. Vor einer solchen Reise stellt man sich ein paar Fragen: zum Beispiel, was für ein Mensch er war; welche ästhetischen Ideen lagen seinem Schaffen zugrunde – und wie viel C. P. E. Bach ist heute noch an seinen Lebensstationen zu finden? Mit diesen und weiteren Fragen im Gepäck reisen wir als Erstes: nach Weimar.

„In Weimar gebohren“
Carl Philipp verbringt die ersten drei Lebensjahre in seiner Geburtsstadt. Und man möchte fast meinen, dass auch nahezu alle anderen klugen und kreativen Köpfe der deutschen Geschichte wenigstens einmal hier Halt gemacht haben. Aber heute hat man das Gefühl, der Geist Goethes weht allenthalben noch ein wenig durch diese einst bedeutenden Gassen.

Wir betrachten die Überreste (sprich: die Grundmauern) von Bachs Elternhaus, dem „Freihaus am Markt 16“, das der Verein „Bach in Weimar e. V.“ als Gedenkstätte für die Bach-Familie wiederaufbauen will. Außerdem besichtigen wir Carl Philipps Taufkirche, die derzeit in Restauration befindliche „Stadtkirche Sankt Peter und Paul“, inklusive des originalen Taufsteins. Dort dürfen wir auch einen Blick ins Taufbuch werfen, das niemand Geringeren als Georg Philipp Telemann als Paten angibt.

CPE_Bach2 cpe-bach_keyvisual_45cm C. P. E.-Bach-Ort  Schloss Sanssouci in Berlin. (Foto: Julia Hartel)

„In der Komposition und im Clavierspielen habe ich nie einen andern Lehrmeister gehabt als meinen Vater.“
Unsere Reise führt uns weiter nach Leipzig. Carl Philipp verbringt hier seine Schul- und einen Teil seiner Studienzeit, singt im Chor der Thomasschule mit und erhält Orgel-, Cembalo- und Kompositionsunterricht von seinem Vater. Johann Sebastian, der große Thomaskantor, steht in Leipzig naturgemäß deutlich im Zentrum – auch im zum Bach-Archiv gehörigen Bach-Museum. Beides ist im „Bosehaus“ untergebracht, dem ehemaligen Wohnhaus von Georg Heinrich Bose, in dem C. P. E. damals vermutlich oft verkehrt hat, da der Hausherr ein Freund der Familie ist. Unter den Exponaten befindet sich auch ein rekonstruiertes Modell der heute nicht mehr existierenden Thomasschule. Der Thomanerchor und das Gewandhausorchester bestehen bekanntlich noch immer. Wir erleben die altehrwürdigen Ensembles bei einer Motette in der Thomaskirche, und man ist ganz gefesselt von der Vorstellung, immer noch das gleiche Klangbild erleben zu dürfen wie die Leipziger Kirchenbesucher im 18. Jahrhundert.

„… habe ich die Rechte sowohl in Leipzig als nachher in Frankfurt an der Oder studirt …“
Im Herbst 1731 schreibt sich Carl Philipp für ein Jurastudium an der Universität Leipzig ein, 1734 wechselt er an die „Viadrina“ in Frankfurt an der Oder. Neben dem Studium gibt er Klavierunterricht; außerdem komponiert er und führt zu festlichen städtischen oder universitären Anlässen zusammen mit dem Frankfurter Collegium musicum eigene, aber auch Werke Johann Sebastians auf. Es ist sehr beeindruckend, wie wenig ihn dessen Genialität offenbar einzuschüchtern vermag: Selbstbewusst entscheidet er sich für eine ähnliche Karriere, auch wenn er in kompositorischer Hinsicht schon früh eigene Wege geht. Trotzdem wird er stets überaus sorgfältig mit seinem Nachlass umgehen. Auch Bachs allererste Veröffentlichung fällt in diese Zeit, und bald werden bis an sein Lebensende Profimusiker wie Laien, Adelige wie Bürger aus ganz Europa seine Werke bestellen („Meine Sonaten und mein ‚Heilig‘ gehen ab, wie warme Semlen …“).

Im ostdeutschen Frankfurt mit dem Rathaus aus dem 13. Jahrhundert und der Kirche St. Marien, die als eine der größten Hallenkirchen der norddeutschen Backsteingotik auch über drei Chorfenster mit mittelalterlicher Glasmalerei verfügt, geht es eher beschaulich zu. Aber die Stadt besitzt ein sehr sehenswertes Kleist-Museum – und sie ist seit jeher stolz auf ihren Bach: Direkt am Oder­ufer liegen die nach ihm benannte Konzerthalle, die ursprünglich als Kirche diente, und ein Kammermusiksaal, wo jedes Jahr die „Musikfesttage an der Oder“ stattfinden. Wir besuchen die neue, im gleichen Komplex untergebrachte Dauerausstellung zu Leben, Werk und Rezeption des Komponisten, in der es unter anderem historische Instrumente, Porträts und Erstdrucke zu sehen gibt.

„… bin ich beständig in preussischen Diensten gewesen …“
C. P. E. beendet sein Jurastudium nicht: Kronprinz Friedrich von Preußen, der kurz darauf König wird, beruft ihn 1738 an seine Kapelle, in der er ab 1740 in den Berliner und Potsdamer Schlössern offiziell als Cembalist mitwirkt. Einen der Silbermann-Hammerflügel, auf denen Carl Philipp dabei spielt, dürfen wir im schmucken Konzertzimmer von Schloss Sanssouci bewundern. Ebenfalls sehr pittoresk: das Holländische Viertel in Potsdam, das zu Bachs Zeiten schon so ähnlich ausgesehen haben dürfte wie heute. Bei einer Pressekonferenz zum Bach-Jubiläumsjahr in Berlin lernen wir den Pianisten Michael Rische kennen. Er hat sich auf drei CDs der Klavierkonzerte Bachs angenommen, die, wie er sagt, so gut wie gar nicht gespielt werden, obwohl sie „eine besondere Stellung in seinem Gesamtwerk einnehmen“ – fast in jedem Lebensjahr hat Bach eines geschrieben, und sie sprühen vor Individualität. Da sie sehr differenzierte Klangvorstellungen enthalten – mitunter werden für beide Hände unterschiedliche Lautstärken verlangt –, wählt Rische für ihre Interpretation selbstbewusst den modernen Konzertflügel.

Ebenfalls in dieser Zeit gibt Bach im Selbstverlag seine zweibändige Musizierlehre Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen heraus, die zu einer „empfindsamen“ Spielweise anleitet und schnell zur Pflichtlektüre – nicht nur für Musiker seiner Generation – avanciert. Seine Ambitionen als großer Komponist gehen bei Hofe jedoch ins Leere. Als durch Telemanns Tod in Hamburg die Stelle des Musikdirektors vakant wird, bewirbt sich Carl Philipp Emanuel Bach erfolgreich um dessen Nachfolge.

„… erhielte ich die Vocation nach Hamburg …“
In der Hansestadt leitet Bach die Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen St. Petri, St. Nicolai, St. Katharinen, St. Jacobi und St. Michaelis. Leider hat sich das Gesicht der Stadt durch den verheerenden Stadtbrand 1842 sowie durch den Zweiten Weltkrieg seit seiner Zeit extrem verändert: Kein Haus, in dem C. P. E. gelebt oder musiziert hat, ist erhalten. Die zerstörten Kirchen wurden in neuer Gestalt wiederaufgebaut, und kaum eine Straße sieht noch aus wie damals. Jedoch soll Bach zusammen mit den anderen Hamburger Komponisten im in der Gestaltung befindlichen „Komponisten-Quartier“ in der Peterstraße bald seinen Platz bekommen. In diesen Jahren entstehen Bachs große geistliche Werke, die er auch im Rahmen öffentlicher Konzerte aufführt: Er macht sich stark für ein bürgerliches Musikleben (auch seine Hamburger Sammlungen von Klaviermusik sind ja „Kennern und Liebhabern“ zugedacht). Er ist nun sehr berühmt und beliebt. Etliche Briefe dokumentieren, was für ein vorzüglicher Gastgeber, Genussmensch und angenehmer Gesellschafter er ist.

Am 14. Dezember 1788 stirbt er. Sein Nachruf im „Hamburgischen Unpartheyischen Correspondenten“ ist überschwänglich, man bezeichnet ihn darin als „sehr merkwürdigen und berühmten Mann“ und seine Kompositionen als „Meisterstücke“. Wir besuchen sein Grab in der Krypta der Michaeliskirche, und der Kreis schließt sich.

„Er ist Original!“
Dass die Zeitgenossen von Carl Philipps Musik so begeistert sind, liegt wohl vor allem an ihrer Neuartigkeit: Sich fast von Takt zu Takt ändernde Affekte, harmonische Kniffe, eine unkonventionelle kontrapunktische Eleganz, plötzliche Pausen und Abbrüche sind kennzeichnend für seine Werke. Und auch, dass einer seine ganz persönlichen Empfindungen kompositorisch verarbeitet (etwa den Tod seines jüngeren Sohnes 1778 im Rondo a-Moll Wq 56.6), ist etwas noch nie Dagewesenes: „Er ist Original! Alle seine Produkte sind mit Originalität gestempelt!“, jubelt Johann Lavater. Die Epoche Johann Sebastians gilt als überholt.

Was mich beständig umtreibt, ist die Frage, wie ein dermaßen bedeutender Komponist überhaupt so nachhaltig in Vergessenheit geraten konnte. Als ich Dr. Peter Wollny bei der Pressekonferenz danach frage, erklärt er es mir mit der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen: „Bis 1820 hatte sich Europa so stark verändert – auch in kultureller Hinsicht –, dass ein Anknüpfen an früher schlicht nicht mehr möglich war. Die Musik ging in eine ganz andere Richtung.“ Im 20. Jahrhundert seien die Versuche, seine Werke wiederzubeleben, vor allem am Zweiten Weltkrieg gescheitert.

Ein ganz besonderes Konzerterlebnis haben wir am letzten Abend in der Hamburger Laeiszhalle: Das „Ensemble Resonanz“ präsentiert mit viel Feuer vier der Hamburger Sinfonien Bachs, kombiniert sie dabei aber auch mit zeitgenössischen Werken, in denen unter anderem eine E-Gitarre zum Einsatz kommt: dem
Keskellä Blues von Eero Hämeenniemi und dem Chanson-Zyklus Der Mensch als Pflanze von Jan Dvořák. Bach und eine E-Gitarre?! Ja, das passt besser zusammen, als man denkt!

Das „Städtenetzwerk C. P. E. Bach *1714“, das sich übrigens auf Initiative des Musikwissenschaftlers Dr. Alexander Steinhilber von der Hamburger Kulturbehörde zusammengeschlossen hat, bietet über das gesamte Jahr 2014 hinweg noch weitere Veranstaltungen rund um den Jubilar und sein Schaffen an. Sie alle sind auf der Website www.cpebach.de gelistet. Wer es uns gleichtun und Carl Philipps Lebensstationen bereisen möchte, dem sei der vom Bach-Archiv herausgegebene, sehr informative Almanach Unterwegs mit Carl Philipp Emanuel Bach empfohlen.

Wenn man nach Hause fährt, hat man das Gefühl, C. P. E. Bach jetzt besser zu kennen, und man hofft noch mehr für ihn, dass er es endlich ins Standardkonzertrepertoire schafft. Oder, um mit den Worten von Initiator Steinhilber zu schließen: „Ich wünsche mir, dass ich nie mehr gefragt werde, wer Carl Philipp Emanuel Bach ist.“

 

Bach-Festivals 2014

Dem Jubilar C. P. E. Bach sowie seinem berühmten Vater widmen sich in diesem Jahr wieder zahlreiche Festivals. Hier eine Übersicht der wichtigsten Bach-Festivals in diesem Jahr:

C.P.E. Bach-Veranstaltungen, ganzjährig in den “Bachstädten” Hamburg, Berlin, Potsdam, Frankfurt (Oder), Leipzig und Weimar
www.cpebach.de

Bach-Festival-Arnstadt 21.- 30. März 2014
www.bachfestival.arnstadt.de

BACHfestival Mannheim 22. – 29. März 2014
www.christuskirche.org

Thüringer Bachwochen 11.04.- 04.05.2014
www.thueringer-bachwochen.de

25. Bachfest Schaffhausen 28. Mai – 1. Juni 2014
www.bachfest.ch

Bachfest Leipzig · 13. – 22. Juni 2014
www.bach-leipzig.de

Greifswalder Bachwoche 16. – 22. Juni 2014
www.greifswalder-bachwoche.de

27. Aschaffenburger Bachtage 26. juli – 03. August 2014
www.aschaffenburger-bachtage.de

Appenzeller Bachtage Schweiz 13. – 17. August 2014
www.bachtage.ch

25. Köthener Bachfesttage 03. – 07. September 2014
www.bach-in-koethen.de

Bachtage Würzburg 21. – 30 . November 2014
www.bachtage-wuerzburg.de

Kleiner Tipp: Unsere Premium-CD enthält diesmal zehn Tracks mit Musik von C. P. E. Bach!


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